Die diesjährige Jahreskonferenz der Gruppe fand am 26. /27. Oktober in alter Tradition wieder in Nürnberg statt. An der Tagung nahmen auch Genossen der Gruppe Arbeiterpolitik und der Gruppe International Dorfen teil.
Die Teilnehmerzahl war etwas geringer als letztes Jahr. Einige Genossinnen und Genossen konnten aus gesundheitlichen Gründen oder auf Grund ihres hohen Alters nicht an unserer Jahreskonferenz teilnehmen. Leider ist ein Freund und Genosse, ein altgedienter, einflussreicher Gewerkschafter, im September überraschend einem Krebsleiden erlegen.


Unser langjähriger Freund und Genosse M.J. war wieder aus England angereist; ein anderer war aus Österreich zu unserer Tagung gekommen.
Wie immer wollten wir auf unserer Jahreskonferenz verschiedene politisch und gesellschaftlich relevante Themen tiefergehend beleuchten und diskutieren. An wichtigen Themen besteht zur Zeit wahrlich kein Mangel. Wir hatten uns im Vorfeld für folgende Tagesordnung entschieden:
Samstag:
•Bericht zur Lage der Gruppe
•Aussprache über die innenpolitischen Lage
•„Monsieur le Capital und Madame la Terre – Blauer Planet im Würgegriff  Zu den Widersprüchlichkeiten zwischen kapitalistischer Ökonomie und der Ökologie
•Die Flüchtlingsfrage: Versuch eine thematischen Annäherung
Sonntag:
•Die Türkei nach der Wahl
•Labour auf Erfolgskurs – ein Vorbild für die Linke in Deutschland?
Zu einigen Themen hatten Genossen Referate ausgearbeitet. Wir werden sie wie immer in leicht überarbeiteter Form in dieser Nummer der Arsti abdrucken. Leider hatte uns der Referent, der das Thema Ökologie und Kapitalismus genauer untersucht hatte, kurzfristig abgesagt, so dass wir bei diesem Tagesordnungspunkt improvisieren mussten.
Den Bericht zur Lage der Gruppe hielt wie schon seit vielen Jahren unser Altgenosse aus Nürnberg. Er begann mit einer knappen Einschätzung der Weltlage und der Lage in Deutschland. Hier gab es nicht viel Erfreuliches zu berichten: die Bedingungen für die Lohnarbeitenden verschlechtern sich und der Sozialstaat fällt auch weiterhin der neoliberalen Abrißbirne zum Opfer. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Immer mehr Kinder, besonders von Alleinerziehenden, sind von Armut bedroht. Doch die Betroffenen verschaffen sich keine Klarheit über ihre Lage und führen sich nicht vor Augen, was die Wurzel ihres Übels ist. Anstatt sich solidarisch gegen den Kapitalismus zu wehren, lassen sie sich von den Parolen der rechten Rattenfänger das Hirn vernebeln und suchen die Schuld für ihre eigene Misere bei den Flüchtlingen, die ja angeblich alles bekommen, während sie selber …
Dieser Einstellung leistet auch Seehofer Vorschub, der die Flüchtlingskrise als die Mutter aller Krisen bezeichnete. Entsprechend werden die vermeintlichen Eigeninteressen in den Vordergrund gestellt und Sündenböcke gesucht, anstatt solidarisch zu handeln. Da werden dann nicht die, die wirklich auf der Kehrseite der Medaille Arm und Reich sitzen, als Verursacher gesehen, sondern die noch Schwächeren werden, wie gesagt zum Sündenbock für das Elend gemacht. Es ist erschreckend, in welch kurzer Zeit es den rechten Kräften gelungen ist, so eine Stimmung im Lande zu schaffen; sie können die bürgerlichen Parteien mit der Flüchtlingsthematik direkt vor sich her treiben.
Unter den hier nur kurz angesprochen Bedingungen hat es eine linke Politik, wie wir sie vertreten, schwer, Anklang zu finden. Trotz allem haben wir es wieder geschafft, vier Ausgaben der Abeiterstimme herauszubringen, eine Leistung, die sich durchaus sehen lassen kann.
An das Ende seiner Ausführungen stellte der Genosse die Würdigung unseres 1991 verstorbenen Genossen Isaak „Isi“ Abusch. Isi musste in seinem Leben Krieg, Faschismus und rassistische Verfolgung erleiden und ist trotz allem der kommunistischen Sache treu geblieben. Wir können bis heute von seinem, nicht nur ideellen, Vermächtnis zehren und sollten uns seine Standhaftigkeit zum Vorbild nehmen.
In der Aussprache über diesen für die Weiterarbeit so wichtigen Bereich gab es Kritik und Anregungen: Artikel in der Zeitung sind nur bedingt ansprechend; manche sind zu lang; eventuell sollte eine andere Druckform gewählt werden; die Nutzung neuer Medien sollte vorangetrieben werden; ein Verlinken mit anderen Gruppen sollte angestrebt werden. Über all diese Vorschläge lohnt es sich, genauer nachzudenken und zu überlegen, wie wir sie verwirklichen könnten. Einige waren schon letztes Jahr angeregt worden, die Umsetzung scheiterte allerdings an unseren geringen Kräften.
Ein Muss sollte allerdings die Aktualisierung und Pflege der Homepage werden.
Inhaltlich bringen wir mit den Artikeln in der Arsti den Gruppenstandpunkt bzw. unsere politische Überzeugung bei der Einschätzung aktueller Themen zum Ausdruck. Einige Genossen vertraten die Meinung, dass es weniger auf das äußere Erscheinungsbild der Arsti ankomme, sondern dass vielmehr die Inhalte das Entscheidende sind –. ein Standpunkt, den wir nun schon viele Jahre so umsetzen; allerdings, wie zu verzeichnen ist, mit beschränkter Attraktivität. Vieles von der Kritik und den Anregungen ist richtig und wünschenswert; allein, es fehlen die Kräfte, dies in die Tat umzusetzen. Mit den vorhanden werden wir uns bemühen, unseren Standpunkt weiterhin zu verbreiten und somit den sozialistischen Funken am Glimmen zu halten.
Am Anfang des Tagesordnungspunktes „Aussprache zur innenpolitischen Lage“ ging unser Nürnberger Genosse auf das Ergebnis der Landtagswahlen in Bayern ein, bei der CSU und SPD hohe Verluste einstecken mussten (vgl. dazu „Zur Krise der Volksparteien“ in Arsti 200). Gewinner war neben den Freien Wählern, den Grünen und der AfD auch Die Linke (+ 1%), die aber trotzdem an der 5 Prozent-Hürde scheiterte. Das Ergebnis zwingt die CSU zu einer Koalition; in den Freien Wählern habe sie aber einen Partner gefunden, der gewährleisten dürfte, dass fast alles so bleibt, wie es war. Die CSU hatte mit ihrer Flüchtlingshetze überzogen, was dann auch von einem Teil des immer noch christlichen Klientels in der Partei abgelehnt worden war. Der Strukturwandel in Bayern vom Agrar- zum Industrieland hatte zum Entstehen einer breiteren Mittelschicht geführt, die mit den Grünen sympathisierte. Auch die Einsicht, dass es ökologisch nicht so weitergehen kann – der heiße und trockene Sommer war das Tüpfelchen auf dem – hat zum Wahlerfolg der Grünen beigetragen. Das soll an dieser Stelle genügen. Einen ausführlichen Bericht zu den Wahlen in Bayern und Hessen, der auch in diesem Heft steht, hat unser Autor aus Bremen verfasst.
Bei der Diskussion über die Innenpolitik in Deutschland landeten wir immer wieder bei Fragen zur EU. Diese Diskussion kann an dieser Stelle allerdings nicht wiedergeben werden.
Im Verlauf der Diskussion kamen wir laufend auf das Thema Flüchtlinge und den Umgang mit ihnen zu sprechen, so dass wir den Tagesordnungspunkt „Die Flüchtlingsfrage: Versuch eine thematischen Annäherung“ vorzogen. Dieses thematisch schwierige und emotional aufgeladene Thema hatten wir zwar schon des Öfteren im kleineren Kreis, auf Redaktionssitzungen oder bei Monatstreffen besprochen. Wir hatten uns aber vorgenommen, die Problematik auf der Jahreskonferenz zu erörtern, um uns langfristig dazu einen Gruppenstandpunkt zu erarbeiten. Dazu lagen zwei Referate vor. Im ersten fasste ein Genosse den Diskussionstand in der bundesdeutschen Linken zusammen, im zweiten ging ein anderer Genosse auf die vielschichtige Thematik dieser Frage ein. Beide Referate werden in leicht abgeänderter Form in dieser Nummer abgedruckt.
Zu den Widersprüchlichkeiten zwischen kapitalistischer Ökonomie und der Ökologie hatten wir den Verfasser des Buches „Monsieur le Capital und Madame la Terre – Blauer Planet im Würgegriff“, Gerhard Armanski, gewinnen können. Er wollte die wichtigsten Ausführungen daraus in komprimierter Form als Diskussionsgrundlage vorstellen. Leider musste er uns in der Woche vor der Konferenz kurzfristig absagen. Da wir auch kein ausgearbeitetes Referat vorliegen hatten, behalfen wir uns mit der Rezension des Buches aus der Arbeiterstimme 189 (Herbst 2015), die ein Genosse  vorlas. Leider wollte danach keine richtige Diskussion mehr aufkommen.
Den Sonntag eröffnete ein Genosse mit dem Vortrag „Die Türkei nach der Wahl“. Kurz nach den Parlamentswahlen, die Erdogan aus Furcht vor den drohenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise vorgezogenen hatte, treten diese offen zu Tage. Die Inflation steigt weiterhin an, eine massive Kapitalflucht findet statt; die Rating-Agenturen stufen die Türkei weiter ab, die Zinsen sind auf den Stand von ca. 25 % gestiegen, die Reallöhne sind um 50 % gesunken, der Mindestlohn beträgt 270 € – das alles bei einer gleichzeitigen Explosion der Mieten in den großen Städten, besonders in Istanbul. Als Augenwischerei dient vor diesem Hintergrund die großmächtige Eröffnung des Prestigeobjekts neuer Flughafen, der am 29.10., dem Tag der Republik, medienwirksam eingeweiht wurde; dass dieser im Wasserschutzgebiet von Istanbul liegt, wurde geflissentlich verschwiegen.
Als Zeichen der internationalen Solidarität soll unsere traditionelle Spende in diesem Jahr die linke Tageszeitung Evrensel in der Türkei unterstützen. Die Sammlung erbrachte 560 €.
Anschließen hielt unser englischer Genosse sein Referat „Labour auf Erfolgskurs – ein Vorbild für die Linke in Deutschland?“. Er begann mit einem geschichtlichen Überblick über die Gründung und die Entwicklung der Labour Party und verglich diese mit der der SPD. Daraus leitete er u.a. die aktuelle Politik von Labour, die ja, nachdem sie unter Blair zu New Labour verkommen war und von Corbyn wieder zu einem fortschrittlichen, linken Kurs zurückgefunden hat, ab. Der Genosse hat uns nachträglich sein ausgearbeitetes Referat zugeschickt, wir haben es übersetzt und drucken es ab.
Auch diese Jahreskonferenz hat den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wieder Aufschwung gegeben. Die konstruktiven Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Themen hat uns Klarheit verschafft. Das Zusammensein mit den Genossinnen und Genossen auch von Arpo und AGI haben unseren Zusammenhalt gestärkt.

Wir werden uns bemühen, die Anregungen in die Arbeit der Gruppe aufzunehmen und sind zuversichtlich, dass wir auch im kommenden Jahr vier Ausgaben der Arsti herausbringen werden.