Der Herbst der Reformen: Weniger Bürgergeld und mehr Soldaten
Nein, die Stimmung hat sich nicht gebessert. Selbst wenn beide Regierungsblöcke nichts sein wollten als konstruktiv und zusammenarbeitswillig, es kommt halt doch immer wieder was dazwischen. Mal ist es eine Richterin, die es auf dem SPD-Ticket zur Verfassungsrichterin schaffen will und dann unsanft von der CDU/CSU aus dem Rennen genommen wird, mal ist es der blöde Koalitionsvertrag, in dem kein Wort über mögliche Reichensteuern steht. Und die CDU, besonders aber die CSU lassen nicht mit sich reden, wer hätte das gedacht. Die SPD offenbar nicht.
Die politische Stimmung drückt sich zwischen den Wahlen meist in Umfragen aus. Sie stellen immer eine Momentaufnahme dar und geben eher Auskunft über die Befindlichkeit der Befragten als über das Regierungshandeln. Sie sind kein exakter Gratmesser, trotzdem wird aus ihren Ergebnissen manchmal, vor allem bei längerfristigen Trends, Politik. Das „Zeugnis“, das Kanzler Merz in der INSA-Umfrage Ende September 2025 ausgestellt wurde, ist weit weg von der Aufbruchsstimmung, die regierungsseitig so gerne beschworen wird. Seit dem relativen Tiefpunkt Anfang Juni mit 45% der Befragten steigt die Unzufriedenheit kontinuierlich auf inzwischen 65% an, die Entsprechung bei der Sonntagsfrage sieht die Union bei 25%, die SPD schneidet virtuell ebenfalls schlechter ab als bei den Wahlen im Februar. Was den politischen Druck erhöht, ist die Annahme, dass die AfD ihr Wählerpotenzial immer noch nicht ausgeschöpft hat. Die 26% der Umfrage liegen erkennbar deutlich über den knapp 21% bei der Bundestagswahl. Die Kommunalwahlen in NRW sprechen zumindest nicht gegen diesen Befund, auch wenn die AfD kein Oberbürgermeisteramt im Westen erreichen konnte. Die Partei kann warten, ihre WählerInnen bleiben ihr gewogen.
Der doppelgesichtige Bundeshaushalt
Die Septemberberatungen über die Bundeshaushalte 2025 und 2026 offenbaren einen bunten Strauß an Problemen, die alle schon über Jahre und Jahrzehnte mitgenommen werden und die nur in Ausnahmefällen einer möglichen Lösung näher gebracht erscheinen. Der Deutschland-Wumms, auch der Doppelwumms, ist längst Geschichte, bevor er sich auch nur in Ansätzen beweisen konnte.
Die Regierungsparteien hatten sich mit den Kreditaufnahmen - für den Haushalt, für den 500-Milliarden-Euro Booster, der die Infrastruktur, die (Grünen) Klimainvestitionen und die klammen Kassen der Kommunen stärken sollte, für die „Sondervermögen“ zur Aufrüstung in undefinierter Höhe – für all das, Zeit gekauft.
Anstatt Konzepte vorzulegen, wie die beschlossenen Gelder auf- und zugeteilt werden sollen, gibt es zunehmend Unklarheiten und Frust, die das Handeln lähmen.
Die Grünen sehen plötzlich, - welch ein Wunder -, dass Klimagelder aus dem Fonds umgewidmet werden zur Finanzierung bestehender Haushaltsinvestitionen, um dort Löcher zu stopfen. Von wegen „zusätzlich“. Die Kommunen sehen sich kujoniert durch Vorschriften, wie sie zusätzliche Gelder ausgeben dürfen. Dabei müssten dort die größten Finanzlöcher vorübergehend aufgefüllt werden, um noch handlungsfähig zu bleiben bzw. zu werden, was einen genehmigungsfähigen Haushalt betrifft.
Ein Autogipfel, oder war es ein Industriegipfel, oder beides, kommt und geht und es bleibt nur das Gefühl, dass nichts passiert, dass die Problemlagen sich nicht ändern.
Die Regierung steht mit den Haushalten vor einigen komplexen Fragen, die nicht widerspruchsfrei zu lösen sind. Nach ihrer Überzeugung müsste ein (kommender) Wirtschaftsaufschwung die Haushaltslücken lindern, die Verschuldung begrenzen und die Zinssätze unten halten. Nur kommt er nicht, der Aufschwung. Je nach eigener Interessenlage wechseln die Schuldigen. Mal sind es eher die transatlantischen Zollsätze, mal eher die „Fluten“ chinesischer E-Autos, mal ist es die „alles erstickende Bürokratie“, mal sind es die Löhne in Deutschland, gerne auch gekoppelt mit den Urlaubs- und Feiertagen, mal die Russen, mal die Migranten und so weiter und so fort. Hier den Gordischen Knoten zu durchschlagen, ist der Regierung nicht möglich, es hängen zu viele davon herum. Was tun? Die Ausgabenseite der Haushalte zu senken, ist ein beliebter Ansatz, aber nur selten möglich, ohne andere Löcher aufzureißen. Damit werden Kosten eher verlagert, und das sorgt immer für Unruhe und ungewollte Folgen.
An einem Beispiel soll dieser Zusammenhang verdeutlicht werden. Das Bürgergeld ist in das Zentrum der Diskussion geraten mit der Absicht, es zu reformieren, was heutzutage immer Kürzung bedeutet. Für eine Kürzung der Leistungen im Bezug auf die Konsolidierung des Haushalts sprachen sich im Dezember 2023 64% der Befragten aus, d.h. sie ist gesellschaftlich zurzeit sogar mehrheitsfähig (Deutschland-Trend der ARD; zitiert nach: Ulrich Schneider: Unsere soziale Hängematte. Mythen und Fakten zum Bürgergeld, in: luxemburg argumente 26). Über die Gründe dafür soll nicht spekuliert werden. Die Sozialetats in der Bundesrepublik lagen 2023, so unterschiedlich wie sie finanziert werden, bei 30% des BIP, ca. 1250 Milliarden Euro. Diese Quote bleibt, mit Ausnahme eines kurzen Corona-Ausreißers, seit 10 Jahren weitgehend stabil. Dass sich die Diskussion auf das Bürgergeld verengt hat, erscheint sachlich wenig gerechtfertigt. Es wird um einen Bundesetat von etwa 37 Milliarden, also 3% aller Sozialausgaben gestritten. Im Vorfeld der Haushaltsdebatten erlegten sich Politiker und Lobbyistinnen keine Zurückhaltung auf. Nach Merz sei der Sozialstaat „so“ nicht mehr finanzierbar, nach Bärbel Bas sei diese Aussage „Bullshit“ (diese Aussage selbst blieb ohne Konsequenzen, weder für den einen noch für die andere); Astrid Hamker, die Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrats, machte schon 2023 die „wahren Ursachen der Finanzprobleme“ in der „Bürgergeldeinführung, Bürgergelderhöhung und Einführung der Kindergrundsicherung“ aus. Letztere fiel noch dem selbstlosen Einsatz der FDP in der Regierung zum Opfer. Die Stoßrichtung ist deutlich: „Arbeit muss attraktiv werden und nicht das Bürgergeld.“ (ebenfalls CDU-Wirtschaftsrat)
Die feindliche Haltung arbeitet sich am Bürgergeld ab und meint doch deren Bezieherinnen. Allzu verlockend für kurze Prozesse erscheinen die Zahlen: fünfeinhalb Millionen Menschen in Deutschland beziehen Bürgergeld, vier Millionen klassifiziert die Arbeitsagentur als erwerbsfähig (Personen ab 16 Jahren, gesundheitlich geeignet, mindestens 3 Stunden pro Tag einer Erwerbsarbeit nachzugehen). Darunter befinden sich 800 000 Menschen, die von ihren Löhnen nicht leben können und deshalb aufstocken müssen, Jugendliche, die zur Schule oder in die Ausbildung gehen, junge Frauen mit kleinen Kindern, Menschen, die zu Hause pflegen u.a. Der „Rest“ von 1,7 Millionen Menschen enthält Arbeitssuchende, deren Erwerbsarbeit unter 15 Wochenstunden liegt. Die hohe Gesamtzahl, die sich auf den Bürgergeldbezug richtet, wäre bei entsprechendem politischem Willen leicht zu zerschießen und auf den tatsächlichen Stand abzusenken. Es ist bloß nicht opportun, der Druck auf die Bezieherinnen soll hoch bleiben. Und was das Beste dabei ist: der AusländerInnenanteil beim Bezug liegt bei knapp 50% - ein Paradies für alle Missgünstigen und Möchte-gern-Abschieber, für alle, die gerne den harten Hund herauskehren. Für die Regierungsparteien u n d für die AfD.
Ähnlich offen wie die streitbaren Zahlen der Statistik werden auch die beabsichtigten Einsparzahlen in den Ring geworfen. Mal sind es zehn Milliarden, mal fünf, mal sind es 10% der Etats, mal sollen die Bezieher für alle Verstöße umgehend sanktioniert, mal gesperrt werden. Was an „Einsparung“ tatsächlich übrigbleiben wird und nicht bei diversen Sozial- und Nothilfen wieder auftaucht, kann nicht gesagt werden. Noch ist das Existenzminimum ein Anspruch, den die Menschen in Deutschland haben, selbst wenn er aus vergangenen Zeiten herrührt.
Vom anderen Ende her kommen die sozialpolitischen Teile der SPD und Grüne, die den Ansatz loben, dass mit dem Bürgergeld ein neuer, respektvollerer Umgang mit den Beziehenden, ein qualifizierender Weg zur Arbeitsaufnahme, nachhaltig selbstverständlich, gegangen worden sei. Ulrich Schneider räumt auch mit diesen Vor- und Schnellurteilen über die Ausgestaltung des Bürgergelds auf, wenn er der SPD und den Grünen ins Stammbuch schreibt:
„Beim Übergang von Hartz IV zum Bürgergeld handelt es sich in erster Linie um eine Neuetikettierung des Arbeitslosengeldes II. Vor allem der SPD war es ein wichtiges Anliegen, endlich den anrüchigen Begriff Hartz IV loszuwerden, was ihr ja auch gelungen ist. Ansonsten ist jedoch im Wesentlichen alles beim alten, sanktions- und armutsgeprägten Hartz-IV-System geblieben. Von einer «Überwindung», geschweige denn von einem neuen, positiveren Menschenbild kann keine Rede sein.“ (U. Schneider, ebd. S. 35)
Jetzt, wo sich die Regierungsparteien einig geworden sind, das Bürgergeld hin zur Grundsicherung zu reformieren, ist damit zu rechnen, dass die armen, mitwirkungspflichtigen Leistungsbezieher in billige Kurzzeitjobs gedrängt werden, die Entfernung zur Arbeit zunehmen wird und die Aussichten auf Übernahme im Betrieb gegen Null sinken. Kurz: die Belastungen für die Betroffenen steigen, ihre Chancen auf Rückkehr in den Ersten Arbeitsmarkt sinken. In der Öffentlichkeit wird ihnen trotzdem der Ruf der Schmarotzer anhängen.
Die realen Haushaltsprobleme haben mit dem Bürgergeld nichts zu tun.
Nach drei Jahren Nullwachstum in Deutschland, - und das ist noch beschönigend formuliert -, nach einer deutlich gestiegenen Arbeitslosenrate, nach dem zeitnahen Verlust von 200 000 Industrie- oder industrienahen Arbeitsplätzen sind die Bundeshaushalte 2025 ff. in stark steigendem Maße nicht mehr gedeckt. Neben den Neukrediten für die Kernhaushalte und die Sondervermögen des Bundes sind nach der verabschiedeten Finanzplanung zwischen 34 Milliarden (2027) und 74 Milliarden Euro (2029) nicht mehr finanziert. Besagte Neukredite summieren sich von 2025 bis 2029 auf über 850 Milliarden Euro, die Gesamtverschuldung des Bundes wird in den fünf Jahren um ein Drittel steigen (Zahlenangaben nach RedaktionsNetzwerk Deutschland: Das Wichtigste zum Bundeshaushalt 2026). Die Zinszahlungen werden das Bürgergeld weit in den Schatten stellen, im Schlussjahr der Finanzschätzung werden sie das Doppelte betragen. Von „Reformen“ bei den Zinszahlungen an die Finanzwirtschaft kann man dagegen nur träumen.
Man könnte die Diskussionen über die Sozialleistungen, - zur Rente werden sie wieder aufblühen -, als das abtun, was sie auch sind: als
Scheingefechte und Ablenkung von den tatsächlichen Problemen eines Industriestaates, dessen Kerngeschäft und dessen Verortung in einem überlegenen und intern stabilen Bündnissystem neuen, unbekannten Risiken ausgesetzt ist. Dazu kommt, dass zunehmend klar wird: ein zahlenmäßig bedeutender Teil der Gesellschaft fällt hinten runter, er muss verwaltet und ggf. ruhiggestellt werden. Und die „Mitte“ soll ja alles dafür tun, alle Kröten zu schlucken, um nicht abzusinken und ihren sozialen Status einzubüßen. Dafür darf sie auch nach unten treten, wenn sie schön nach oben buckelt.
Wo Geld keine Rolle spielt: die Rückseite des Haushalts
Das 100 Milliarden Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr wird übernächstes Jahr aufgebraucht sein, dieses Jahr wurde ein begleitendes und nachfolgendes Sondervermögen für Verteidigung und militärisch nutzbare Infrastruktur aufgelegt. Inhalt: 500 Milliarden aufwärts, eine Deckelung ist politisch nicht gewollt. Die Verteidigungsetats der vergangenen Jahre, circa 35 Milliarden (2016) bis 47 Milliarden Euro (2021), erscheinen aus gegenwärtiger Sicht eher schnuckelig, wenn man nicht wüsste, dass auch mit diesen Summen viel Schaden und Leid herbeigeführt wurde. Heuer stehen 75 Milliarden im Haushalt (darunter 9 Milliarden plus für die Ukraine), 2027 wird die 100 Milliarden-Grenze locker-leicht übersprungen, 2029 liegen die Militärplanungen bei 170 Milliarden Euro, inklusive der 9 Milliarden für die Ukraine.
Die Rüstungsfirmen, die -zulieferer und Start-ups im Rüstungsbereich schießen wie Pilze aus dem Boden, Rheinmetall, das Vorzeige- und Lieblingsunternehmen für Kabinettsbesuche, steigerte seinen Aktienkurs von 2021 (ca. 100 Euro) bis heute um 2500%. Da spielt die Musik und es verwundert nicht, dass bisher eher militärferne Firmen gerne mitspielen, von Siemens in der Digitalsparte über den Dienstleister Lufthansa bis zum Outdoor-Kleiderfabrikanten Schöffel.
Markus Söder fordert plakativ 100 000 Drohnen für die Bundeswehr und gleich noch eine Vervierfachung der Anzahl von Panzern, andere fordern wieder was anderes, vor allem mehr von allem. Taurus-Systeme sowieso.
Der entscheidende Punkt in dieser Gemengelage wird die Personalfrage sein. Zwar phantasieren Militärs und Nichtmilitärs, Experten allzumal, von den Kriegen der Zukunft. Überall Drohnen und Cyberattacken, in den eigenen Rechnern und im Weltall sowieso. Die Deutschen mittendrin und bis an die Zähne bewaffnet verteidigungsbereit, dass den Feinden (wem wohl?) Hören und Sehen vergeht. Trotz bester Vernichtungstechnik wird’s ohne SoldatInnen nicht gehen und da gibt es gegenwärtig eine größere Lücke.
Einigkeit herrscht bei den Koalitionspartnern darin, dass sie aufgefüllt werden muss und wird. Diese Einigkeit der Koalitionsparteien, die Truppe zu „stärken“, d.h. sie zur größten Landstreitmacht Westeuropas werden zu lassen, wird am Ende siegen, egal, auf welche gesetzlichen Verfahren zur Verpflichtung neuer SoldatInnen sie sich konkret verständigen. Der Streit darüber hat nur taktische Gründe. Die altmodische Wehrpflicht, die bereits Generationen junger Männer die Möglichkeit gab, „sich für Deutschland zu engagieren“ (Bundesministerium der Verteidigung, Neuer Wehrdienst; 27.08.2025), hatte man ja immer in Reserve gehalten. Jetzt ist die Regierung entschlossen, Maßnahmen im Vorfeld der Wiedereinführung zu ergreifen. Die CDU ist für die brachiale Lösung, die SPD bindet typischerweise ein Schleifchen dran. Jeder dürfe so lange Wehrdienst leisten, wie er will, “Monatsweise bis zu 23 Monaten oder -bei Eignung- sogar längere Verpflichtungszeiten bis zu 25 Jahren sind möglich.“
(ebd.) Nicht ganz so freiwillig ist im Zuge der Wehrerfassung eine für Männer (Grundgesetz!) verpflichtende Befragung zu deren persönlichen Daten, ihrer Verfügbarkeit, den Bildungsabschlüssen und Qualifikationen und der Bereitschaft zur Ableistung des Wehrdienstes. Am 1.Januar 2026 soll das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz in Kraft treten und die Geburtsjahrgänge ab 2008 erfassen, „Personen anderen Geschlechts sowie wehrpflichtige Männer ab dem Geburtsjahrgang 2001 erhalten Informationen und einen Online-Fragebogen, der inhaltlich im Wesentlichen der Bereitschaftserklärung entspricht.“ Ab 1. Juli 2027 werden alle Wehrpflichtigen einer verpflichtenden Musterung unterzogen, dann ist Schluss mit lustig. Die Daten der jungen Menschen gehen von den Meldebehörden auf die Bundeswehrverwaltung über. „Dies bedeutet eine Entlastung für die Meldebehörden der Länder“, kann sich das Ministerium nicht verkneifen hinzuzufügen. Die Freiwilligkeit der Wehrpflicht, die die SPD hervorhebt, endet beim Bedarf der Truppe. Solange die Ausbildungskapazitäten noch nicht hochgefahren sind, kann man ohne Schmerzen auf die Unwilligen verzichten. Später wird’s anders werden.
Es ist zur großen Jagd geblasen, auf die Russen sowieso, auf die schwachen Wirtschaftszahlen im Besonderen. Sogar die Wirtschaftsweisen wollen nicht zurückstehen und schreiben der Regierung Wachstumszahlen von über 1% im Jahr 2026 ins Poesiealbum. Man wird sehen, was daraus wird. Sollte es gelingen, Wirtschaftswachstum erst einmal einzukaufen und dann (viel) später zu bezahlen? Ganz ohne Warnungen ist die Konjunktur auch jetzt nicht zu haben. So befürchtet der Bundesrechnungshof, wie er vom RedaktionsNetzwerk zitiert wird: „In der mittleren Frist wird so ein Bundeshaushalt entstehen, in dem ein ganz erheblicher Anteil für Zinslasten gebunden ist.“ Diese und ähnliche Befürchtungen bedeuten leider nicht, dass der Aufrüstung und der Kriegsvorbereitung damit quasi natürliche Grenzen aufgezeigt werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass weitere Kahlschläge auf die unterschiedlichen Sozialbereiche zukommen werden. Reformen drohen der Rente und der Altersversorgung, der Pflege, der Kinder- und Jugendfürsorge und -förderung, den Gleichstellungsmaßnahmen, der Arbeitslosenunterstützung und so weiter.
Andere europäische Länder sind in diesem Prozess schon weiter, Verarmungstendenzen sind keine Ausnahmen mehr. Trost ist das keiner, aber eine Ursache dafür, dass das politische Tagesgeschäft sehr volatil geworden ist. Regierungsbündnisse wandern weiter und weiter nach rechts. Rücktritte, Entlassungen, Neuwahlen, Hoffnungsträger über Nacht, als Heilsbringer hochgejubelte Neueinsteiger bestimmen den Takt politischer Prozesse, begeistern und enttäuschen in rascher Folge.
Man muss nicht auf die Entwicklung in den USA starren, um zu begreifen, welche Früchte der Kapitalismus hervorbringen kann. Ein Blick auf die Verhältnisse in Europa und auch und gerade auf Deutschland ist nicht weniger lehrreich.