Die gegen die Russische Föderation verhängten Sanktionen sind vermutlich die schärfsten, die bisher gegen ein. Land ausgesprochen wurden. Die Listen mit den einzelnen Maßnahmen sind sehr lang. Die Sanktionen wurden schon mehrfach erweitert und werden sich wahrscheinlich auch in der Zukunft noch verändern. Im Detail unterscheiden sich die Maßnahmen auch von Land zu Land. Im Einzelnen sind die Maßnahmen z.B. bei Wikipedia, detailliert nachzulesen.
Die wichtigsten Sanktionen sind:
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Ausschluss vieler, aber nicht aller, russischen Banken aus dem internationalen Zahlungsverkehr SWIFT.
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Blockade der russischen Devisenreserven, soweit sie auf Konten der amerikanischen FED liegen.
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Verbot aller Geschäfte mit der russischen Zentralbank.
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Exportverbot für viele Produkte der Hochtechnologie.
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Blockierung von Geldern und Vermögen im Besitz von russischen Personen (Oligarchen, aber auch Politikern etc.), soweit die Besitztümer in westlichen Ländern liegen.
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Flugverbote für russische Flugzeuge über westliche Länder.
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Verbot des Imports von russischer Kohle.
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Teilboykott von russischem Erdöl und Erdölprodukten.
Die Beurteilung der Wirksamkeit von Wirtschaftssanktionen ist schwierig. Eine umfassende Aussage über alle realistischerweise zu erwartenden direkten und indirekten Folgen ist kaum möglich. Es kommt darauf an, wer sich genau an den Sanktionen beteiligt, wie konsequent sie in der Praxis umgesetzt werden, wie flexibel die Sanktionierten reagieren können usw.. Viele Umstände und Details können dabei eine Rolle spielen. Es hat sich aber in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, der Wirksamkeit von Sanktionen sind Grenzen gesetzt. Sie fügen den Sanktionierten normalerweise zwar erheblichen Schaden zu, können sie meistens aber nicht in die Knie zwingen. Das liegt vor allem in der Natur von wirtschaftlichen Sanktionen selbst.
Sanktionen haben für dem, der sie verhängt den Nachteil, dass sie fast immer zweischneidig sind. Sie schaden auch der eigenen Ökonomie. Wer bestimmte Waren wie etwa Öl oder Gas nicht mehr bei seinem bisherigen Lieferanten kauft, muss sich Ersatz beschaffen, was typischerweise mit höheren Kosten verbunden ist. Ein Exportverbot für Hochtechnologie schadet logischerweise den Produzenten und Exporteuren dieser Produkte.
Außerdem gibt es fast immer Möglichkeiten, Sanktionen zu umgehen. Solche Umgehungsmaßnahmen sind zwar meistens umständlich und teuer, heben also den Schaden nicht gänzlich auf, relativieren ihn aber. Es ist nur selten möglich, ein Land von Produkten, die es wirklich braucht, vollkommen abzuschneiden.
Und dann ist alles eine Frage der Zeit. Es braucht Zeit, bis Sanktionen wirklich wirksam werden. Es braucht auch Zeit, bis Umgehungsmaßnahmen greifen, insbesondere bis langfristige Lösungen, etwa der Aufbau eigener Produktionskapazitäten, umgesetzt sind. Bei einem Sanktionsregime ist deshalb damit zu rechnen, dass der auftretende Schaden im Laufe der Zeit sich verändern kann in beide Richtungen, nach größer oder kleiner, und solche Veränderungen können mehrmals eintreten.
Im aktuellen Fall kommt noch dazu, dass Russland, das schon seit 2014 Sanktionen ausgesetzt ist, eine Verschärfung erwartet hat. Dementsprechend hat es versucht sich darauf vorzubereiten. Mit welchem Erfolg, das wird sich zeigen.
Soweit man das bisher absehen kann, ist für Russland aufgrund der Sanktionen ein Rückgang der Wirtschaftsleistung zu erwarten, Russland steht vermutlich vor einer Rezession, die Arbeitslosigkeit wird ansteigen. Etliche Produkte dürften knapp werden, während gleichzeitig mit erheblichen Preissteigerungen zu rechnen ist. Von der russischen Zentralbank gibt es eine Schätzung, die einen Anstieg der Inflationsrate auf 20% bis Ende 2022 für möglich hält. Die Bevölkerung wird also den Gürtel enger schnallen müssen. Der Rubelkurs konnte aber nach einem kurzen, starken Einbruch durch Maßnahmen der Zentralbank (Zinserhöhungen, Kapitalverkehrskontrollen, Goldverkauf) wieder mehr oder weniger stabilisiert werden.
Es gibt kaum Informationen darüber, ob auch die militärischen Aktivitäten von den Sanktionen beeinträchtigt werden könnten. Zumindest kurz- und mittelfristig ist das eher unwahrscheinlich. Denn das Militär gehört normalerweise zu den Bereichen, die mit Priorität gegen Sanktionen abgeschottet werden.
Mit zu den schärfsten Maßnahmen zählt das Einfrieren der Dollarguthaben der russischen Zentralbank bei der amerikanischen FED. Die erheblichen russischen Währungsreserven, es ist von ca. 300 Milliarden Dollar die Rede, sind damit blockiert. Auch wenn diese Sanktionen von den hiesigen Medien als besonders wirksam und insbesondere als für die russische Führung überraschend gelobt werden, sind sie nicht ohne politisches Risiko. Denn viele Länder werden zur Kenntnis nehmen, dass praktisch durch einen Federstrich Devisenreserven, die ohne Zweifel rechtmäßig Eigentum der entsprechenden Zentralbank sind, blockiert und eventuell auch konfisziert werden können. Das wird sicher viele zum Nachdenken darüber anregen, ob es nicht Alternativen zum Halten der Devisenreserven in Dollar gibt. Kurzfristig sind diesbezüglich zwar keine Auswirkungen zu erwarten, langfristig könnte die Funktion des Dollar als Reservewährung ausgehöhlt werden.
Bei der für Russland typischen Rolle als bedeutender Energie- und Rohstoffexporteur sind die Druckmittel von Sanktionen nicht allzu groß. Denn es ist offensichtlich, die Preissteigerungen für Energieprodukte auf den Weltmärkten schaden den Käufern im Westen, wenn auch nicht den Ölkonzernen, aber sie schaden nicht den Produzenten des Öls und damit auch nicht Russland. Solange noch eine erhebliche Nachfrage nach fossilen Energieprodukten besteht, wird Russland Öl, Gas und Kohle verkaufen können. Nicht immer ohne Friktionen, z.B. weil geeignete Transportmöglichkeiten knapp sind, aber es wird sie letztlich verkaufen können.
Kurz zusammengefasst: Russland wird unter den Sanktionen leiden, aber es wird nicht daran zerbrechen. Auch die Kollateralschäden für die westliche Wirtschaft werden beträchtlich sein, allerdings betreffen die Kollateralschäden eine deutlich breitere und stärkere Ökonomie.
Schaut man sich die Einbindung Russlands in die Weltwirtschaft an, sieht man, von wirklich großer Bedeutung sind nur einige wenige Produktgruppen. Einmal die fossilen Energieträger als die mit Abstand wichtigsten, daneben noch andere Rohstoffe, Weizen, Düngemittel und Rüstungsgüter.
Bei Rüstungsgütern gibt es einen speziellen, politischen Markt, der hier nicht weiter betrachtet werden soll.
Bei den anderen Produktbereichen handelt es sich vor allem um homogene Güter, die international zu Weltmarktpreisen gehandelt werden. Und auf den Weltmärkten waren bei Beginn des Krieges sofort Auswirkungen zu erkennen, es gab heftige Preissteigerungen. Denn Weltmarktpreise reagieren auch auf Verdacht. Sie steigen bereits, wenn eine Knappheit bei einem Produkt nur zu befürchten ist. Die Knappheit muss noch keineswegs real eingetreten sein. Parallel dazu steigen dann auch die Verbraucherpreise. Und das tendenziell weltweit.
Dieser Mechanismus soll am Beispiel Weizen etwas näher dargestellt werden. Die Ukraine ist bekanntlich ein bedeutender Weizenexporteur. Derzeit kann sie aber wegen der Blockade der Häfen ihren vorhandenen Weizen kaum exportieren. Das hat die Preise in die Höhe getrieben.
Ein noch größerer Lieferant von Weizen ist Russland. Laut einer Meldung der Agentur Interfax (15.03.22) hat die russische Regierung angekündigt, bis Ende Juni den Export von Weizen einzuschränken, um die eigene Versorgungsbasis zu sichern. Die Reaktion auf diesen Bericht waren weitere Preissteigerungen auf allen internationalen Handelsplätzen. Dazu kommen die Unsicherheiten bezüglich der nächsten Ernte. Wo kann in der Ukraine ausgesät werden, wie viele Arbeitskräfte sind beim Militär, etc.?
Indien ist ein großer Produzent von Weizen, verbraucht aber den größten Teil der Ernte im eigenen Land. Exportiert werden normalerweise nur vergleichsweise geringe Mengen (2020 etwa 1,8 % der weltweiten Exporte). Wegen der hohen Weltmarktpreise bestand aber die Befürchtung, dass zukünftig wesentlich größere Mengen in den jetzt sehr lukrativen Export fließen könnten und damit die eigene Versorgung nicht mehr sichergestellt ist. Außerdem sind auch die inländischen Preise sofort angestiegen. Deshalb hat Indien zuerst einmal ein Exportverbot für Weizen erlassen. Damit sollte das inländische Angebot an Weizen stabilisiert und damit der Anstieg der inländischen Preise begrenzt werden. Auf dem Weltmarkt ließ der indische Exportstopp die Preise gleich nochmal ansteigen.
Das Beispiel Indien macht deutlich, dass die Begründung Russlands für sein befristetes Exportverbot auch eine gewisse Berechtigung haben könnte, auch wenn die hiesigen Medien einen Plan Putins unterstellen.
Die hohen Weltmarktpreise machen sich auch bei uns bemerkbar. Weizen und als Folge davon Mehl, Brot usw. verteuern sich. Dabei ist die EU bei Weizen mehr als Selbstversorger und konkurriert mit Russland um den Platz des weltweit größten Weizenexporteurs. Die Marktlogik bringt es mit sich, dass alle, die vor den jeweiligen Preissprüngen im Besitz von Weizen oder Mehl waren, einen entsprechenden Extragewinn einstreichen können.
Noch viel härter trifft es natürlich die armen Länder, die Weizen importieren müssen, weil sie dazu keine realistische Alternative haben. Wegen ihrer Armut können sie sich die gestiegenen Priese praktisch nicht mehr leisten. Eine Zunahme des Hungers kann deshalb eine wahrscheinliche Fernwirkung des Ukraine-Krieges sein.
Die Summen, die für den Import von Energieträgern ausgegeben werden, sind noch viel größer. Rein ökonomisch gesehen ist Energie bedeutender als Weizen. Russland kooperiert seit 2017 zusammen mit Kasachstan, Mexiko und Oman mit der OPEC. Der erweiterte Kreis wird OPEC+ genannt. Zuletzt konnte 2020 (während der Corona-Flaute und der dadurch bedingten schwachen Nachfrage) der Ölpreis durch Produktionskürzungen stabilisiert werden. Dies war hauptsächlich deswegen möglich, weil sich Russland und Saudi-Arabien, die beiden größten Öl-Exporteure, auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt haben. Das hat nicht auf Anhieb geklappt, sondern erst nach einigem Hin und Her, das von einem Preisverfall begleitet war. Ein abgestimmtes Vorgehen von Russland und Saudi-Arabien ist damit ein kritischer Punkt für den Erdölpreis. Die OPEC+ hat auch nach Kriegsbeginn die Ölförderung (noch) nicht erhöht, die Preise sind vielmehr wegen der kriegsbedingten Verunsicherung noch weiter gestiegen. Allerdings versuchen die USA die arabischen Ölproduzenten für eine Produktionssteigerung zu gewinnen, der Ausgang ist noch offen.
Die jetzige Marktlage bei Energieträgern eröffnet Möglichkeiten für Extraprofite. Beim Erdöl und Erdgas ist zu unterscheiden zwischen den Preisen für Lieferungen gemäß langfristigen Verträgen (deren Preise während der Laufzeit dieser Verträge fest sind) und dem Spot-Markt, der starken Schwankungen ausgesetzt sein kann und aktuell sehr hohe Preise aufweist. Langfristige Verträge mit günstigen Preisen bzw. der Zugriff auf Ölförderung in eigener Regie sind die Hauptquelle für die stark angestiegenen Profite der Ölkonzerne. Es ist meistens nicht transparent, wie einzelne Firmen, auf Basis welcher Verträge und Preise, sich ihre Ware beschaffen können. Die Verkaufspreise orientieren sich aber im Allgemeinen an den gestiegenen Spot-Preisen. Potenzielle Konkurrenten sind dagegen machtlos, denn sie könnten sich zusätzliche Ware nur auf den teuren Spot-Märkten beschaffen.
Ein weiterer Faktor bei den Preisturbulenzen sind die auf den Rohstoffmärkten häufigen Spekulationsgeschäfte. Ein eklatantes Beispiel war der Preis für Nickel. Dieser ist kurz nach Kriegsbeginn sehr stark angestiegen, um sich dann nach wenigen Tagen wieder einigermaßen zu normalisieren, wenn auch auf höherem Niveau. Dies war nach übereinstimmender Einschätzung in einer (fehlgeschlagenen) Spekulation begründet.
Bei der Einschätzung der ökonomischen Kriegsfolgen ist zu beachten, dass die kriegsbedingten heftigen Preissteigerungen auf eine kapitalistische Weltwirtschaft treffen, die schon vor Kriegsbeginn stärkere Inflationstendenzen zeigte. Damit scheint eine längere Zeitspanne zu Ende zu gehen, die von vergleichsweise niedrigen Preissteigerungsraten gekennzeichnet war. Zumindest war das beim Kern der Industrieländer so. In eher peripheren Ländern war die Situation zum Teil deutlich anders, dort gab es durchaus heftige Inflationsraten. Insbesondere der Anstieg der Energiekosten ist dabei von erheblicher Bedeutung, denn die Kosten für Energie beeinflussen direkt und indirekt sehr viele Preise. Zwangsläufig hat das erhebliche soziale Folgen, denn hohe Inflationsraten sind ein direkter Angriff auf die Reallöhne.