Die Partei Die Linke

Das Ende eines linken Projektes?

Am 23. Oktober dieses Jahres sind 10 von 38 Bundestagsabgeordnete aus der Partei DIE LINKE ausgetreten. In der jungen Welt kommentierte den Vorgang Nico Popp: „Die Linkspartei ist als sozialistische Partei, die sie, wenn nicht ihren Taten, so doch ihrem Programm nach war, gescheitert. Der Hauptteil der Strömung, die auf Oppositionspolitik festgelegt war, verlässt jetzt die Partei, in der nun der Durchmarsch der »progressiven« Liberalen droht.“ Niemand von uns kann diese Entwicklung begrüßen. Sie war allerdings vorhersehbar, da sich die Konflikte in der Partei immer mehr zuspitzten. Es nur an inhaltlichen Kontroversen festzumachen, würde zu kurz greifen.

Es ist von außen schwer zu beurteilen, wie im Detail die Schuld am Auseinandertriften zu verteilen ist. Vermutlich hat man sich auf beiden Seiten nichts geschenkt. Eine Kette negativer Wahlergebnisse trug nicht unwesentlich dazu bei, Schuldzuweisungen vorzunehmen. Bei der Wahl 2021 kam DIE LINKE bei einem Ergebnis von 4,9 Prozent nur über drei Direktmandate in den Bundestag. Bei der Europawahl 2019 waren es bereits magere 5,5 Prozent gewesen. Anstatt eine zielführende Analyse der Ursachen vorzunehmen, geriet immer mehr Sahra Wagenknecht (SW) ins Visier derer, die inzwischen den Parteivorstand dominieren, den sog. Bewegungslinken. Die Auseinandersetzung verschärfte sich nicht zufällig an der Frage, wie sich die Partei im Krieg zwischen Russland und Ukraine positionieren soll. In Kriegszeiten sind dem Lavieren engere Grenzen gesetzt. Für Heinz Bierbaum und Michael Brie ist seit dem 24. Februar 2024, dem Beginn des Angriffs russischer Truppen auf die Ukraine, „aus einer geschwächten Partei DIE LINKE eine Partei im offenen Zerfallsprozess geworden“. Sie begründen diese Einschätzung damit, dass es ihr nicht gelungen sei, „eine überzeugende gemeinsame Position zum Krieg in der Ukraine zu entwickeln, ganz im Gegenteil. Der Versuch, den damit verbundenen Konflikten auszuweichen“, habe diese bis zur Unerträglichkeit verschärft. Und weiter heißt es bei Bierbaum und Brie: „Man kann in der Frage von Krieg und Frieden nicht unbestimmt sein und zugleich linke Politik betreiben. Die abhängige, die lohnarbeitende Klasse fragt mit Recht: Welche Politik nützt uns in dieser konkreten Situation.“ Während der Wagenknecht-Flügel für einen sofortigen Waffenstillstand und anschließende Friedensverhandlungen plädierte, und während die Vertreter dieser Position Waffenlieferungen strikt ablehnten und auch den Wirtschaftssanktionen gegen Russland nichts abgewinnen konnten, lehnte die Parteiführung eine eindeutige Festlegung ab. Für Außenstehende ist nicht klar erkennbar, wofür die Partei in dieser zentralen Frage tatsächlich steht. SW wurde für ihre Rede im Bundestag, in der sie sich gegen die Sanktionen aussprach, aus den eigenen Reihen hart attackiert. Als sie dann im Februar dieses Jahres zusammen mit der Herausgeberin der Zeitschrift EMMA, Alice Schwarzer, eine große Friedenskundgebung in Berlin organisierte, verschärfte sich der Konflikt mit der Partei noch einmal. So heißt es in der Austrittserklärung der zehn Abgeordneten: Als Beispiel sei an den „Aufstand für den Frieden“ vom Februar 2023 erinnert. Es war die größte Friedenskundgebung der letzten knapp 20 Jahre. Zehntausende versammelten sich vor dem Brandenburger Tor. Obwohl, und gerade weil etwa die Hälfte der Bevölkerung den militärischen Kurs der Regierung ablehnt, hat sich das gesamte politische Establishment des Landes gegen die Kundgebung gewehrt und sie diffamiert. Statt uns in dieser Auseinandersetzung zu unterstützen, stand die Parteiführung der LINKEN Schulter an Schulter mit den anderen Parteien: Sie hat den Initiatoren der Kundgebung vorgeworfen, „rechtsoffen” zu sein und war so Stichwortgeber für Vorwürfe gegen uns.“

 

Was tun, wenn das Tischtuch zerschnitten ist?

Spätestens ab diesem Zeitpunkt war das Tischtuch innerhalb der Partei zur Gänze zerschnitten. Aber bereits zwei Jahre vorher hatte SW mit ihrem Buch „Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ die Debatte befeuert. Der Kampf gegen den „Linksliberalismus“ nimmt in diesem Buch einen zentralen Stellenwert ein. Manche Sichtweisen in dem Buch kann der Verfasser dieses Artikels nachvollziehen und unterstützen. Anderen ist weniger abzugewinnen. Sei‘s drum. Wenn man nicht mehr miteinander kann, muss man sich trennen. Die Ausgetretenen wollen keinen Rosenkrieg, wie sie betonen. Nicht alle aus dem Parteivorstand sehen das auch so und treten nach. Um es an einem Beispiel festzumachen. Ates Gürpinar war bis 2022 Sprecher des Landesverbands Bayern. Seit 2021 sitzt er für die LINKE im Bundestag und ist einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden, also ein zentraler Funktionär. Der Frankfurter Rundschau sagte er unlängst: „Sahra Wagenknecht geht es nicht um linke politische Inhalte, sie will den Menschen nicht helfen. Sie sucht für sich selbst eine Plattform, zur Erzeugung persönlicher Reichweite für ihre Bücher und anderer Einnahmequellen. Das ist menschlich abgründig, aber der Prozess ist durch.“ Geht‘s noch? Es ist dieser Umgang, der neben den inhaltlichen Differenzen die Partei aushöhlte. Gregor Gysi sprach schon vor elf Jahren auf dem Göttinger Parteitag vom „Hass“, der in der Fraktion herrsche. Eine linke Partei, in der die Mitglieder so miteinander umgehen, zerstört sich selbst. Wie nun die Linkspartei diese Existenzkrise überleben wird, wissen wir nicht. Nach dem Austritt der Wagenknecht Gruppe präsentierte man auf dem Augsburger Parteitag die Aktion „Eine Linke für alle“ und will damit einen Aufbruch aus der Krise erreichen. Was genau unter dieser Erneuerung zu verstehen ist, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Stolz wird von der Parteiführung auf die angeblich „massenhaften Eintritte“ nach den Austritten verwiesen. Es soll sich vorwiegend um eine „Beitrittsaktion radikaler Linker“ in Berlin (Wolfgang Hübner im ND vom 19.11.23) handeln. Vor allem junge Leute mit einer Erwartungshaltung, die mit der innerparteilichen Realität kaum kompatibel sein dürfte. Da treffen u.a. pragmatische Regierungslinke auf junge Leute, die eine konträre Herangehenweise an politisches Handeln haben. Der Selbsttäuschung dürfte die Enttäuschung folgen.

 

Ist die Linkspartei eine Klassenpartei?

Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft in der Partei DIE LINKE. Zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl und dem Parteivorstandsmitglied Jan Richter, der bei der Fraktion beschäftigt ist, gab sie kurz nach der Abspaltung eine Erklärung heraus, in der sie zum Einen das Bedauern über das Scheitern eines 16 Jahre mehr und zum Schluss weniger erfolgreichen Parteiprojekts zum Ausdruck bringt. Sie konstatiert, dass der Abspaltungsprozess „auf beiden Seiten (!) von Menschen vorangetrieben und vollzogen“ wurde und nimmt damit keine Schuldzuweisung an nur eine Seite vor. Es heißt dann aber: „Ein historisches Parteiprojekt durch Spaltung zu schwächen, ist aus unserer Sicht politisch verantwortungslos.“ Also letztlich doch wieder eine Schuldzuweisung an die Wagenknecht Gruppe. Aus einem historischen Blickwinkel ist das mit der Verurteilung der Abspaltung nicht ganz so einfach, wie sich die Drei das vorstellen. War etwa die Abspaltung von der SPD nach dem 1.Weltkrieg auch verantwortungslos? Zu unterstreichen ist, wenn es in der Erklärung heißt: „Schwache linke Parteien sind keine schicksalhafte Entwicklung, sondern das Ergebnis fehlender strategischer Klärungsprozesse.“ Das zeige „die Partei der Arbeit in Belgien*, ebenso wie die österreichische KPÖ. Für die KPÖ trifft das sicher nur punktuell zu. Die Erklärung enthält einen Widerspruch, auf den hinzuweisen ist. Einerseits wird der Wunsch geäußert, dass DIE LINKE „eine Klassenpartei bleibt“. Und an einer anderen Stelle: „Wir bleiben in der Partei DIE LINKE und ringen weiter um eine klassenpolitische Ausrichtung.“ Das Problem ist aber die Klasse, die von dieser Partei immer weniger wissen will, wie sich aus den Wahlergebnissen herausfiltern lässt. Handelt es sich hier nur um die Unfähigkeit der Klasse, die Linkspartei als die adäquate Interessensvertretung zu erkennen? Ingar Solty, Referent für Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung, stellt sich die adäquate Partei so vor: „Es braucht eine linkssozialistische Partei am linken Flügel der organisierten Arbeiterbewegung, die radikale Reformen … durchficht und zugleich alles Erkämpfte nur als Verbesserung der Kampfposition für den Sozialismus ansieht.“ Davon ist die Partei DIE LINKE meilenweit entfernt. Inhaltlich und kräftemäßig. Dazu ein Beispiel: Als die Linkspartei beschloss, im November die 2. Tagung des 8. Bundesparteitages durchzuführen, wollte man mit der Ortswahl nicht zuletzt ein Zeichen setzen. Der Kreisverband Augsburg , geführt von dem jungen Gewerkschaftssekretär Frederik Hintermayer, der seit 2013 im schwäbischen Bezirkstag und seit 2020 im Augsburger Stadtrat sitzt, gab Anlass zur Hoffnung. Der KV hat außerdem ein zweites Stadtratsmitglied und einen Kreisrat. Alles hochmotivierte junge Leute. Als aber dann der Parteitag stattfind, waren alle drei Hoffnungsträger Mitglieder der SPD. Der KV soll zwar noch irgendwie existieren, hat aber keine Mandatsträger mehr. Da ist zusammengewachsen, was schon seit längerem zusammengehörte. Denn in Augsburg gab es bereits eine Fraktionsgemeinschaft SPD/DIE LINKE. Inzwischen ist auch der ehemalige bayerische Linkenabgeordnete Andreas Wagner in die SPD eingetreten. Sollte 2025 die Linkspartei den Einzug in den Bundestag nicht schaffen, könnten weitere Funktionäre ins SPD-Lager wechseln. Andreas Wehr, Mitbegründer des Berliner Marx-Engels-Zentrums, war bereits am 27. Oktober, also vor ziemlich genau zwei Jahren, zu folgender Einschätzung gekommen: „Das Problem der Linkspartei .. ist ein strukturelles und wird wohl dazu führen, dass sie bald nicht mehr im Bundestag vertreten sein wird...DIE LINKE geht damit einen Weg, den vor ihr bereits viele andere linke Parteien in Europa gegangen sind.“ Jetzt, zwei Jahre später, erhofft sich die Partei einen deutlichen Aufschwung oder zumindest doch eine Trendwende bei den Wahlen des nächsten Jahres, durch den Weggang derer, die für das Desaster des Bundestagswahlergebnisses von 2021 verantwortlich gemacht wurden.

 

Eine deutsche Besonderheit?

Max Veulliet ist Büroleiter der Salzburger KPÖ plus. In einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Marxistische Blätter geht er auf den Niedergang der sog. Bewegungslinken in Europa ein („Bewegungslinke im Niedergang“). Als Beispiele für die von ihm als Niedergang bezeichnete Entwicklung führt er Griechenland, Spanien und Frankreich an. In Griechenland ist der Niedergang der ehemaligen Regierungspartei Syriza dramatisch. Mit über 30 Prozent der Stimmen konnte sie 2015 den Ministerpräsidenten stellen. Doch dieser, Alexis Tsipras, ein Hoffnungsträger vieler Linker auch außerhalb Griechenlands, ist inzwischen Geschichte. 2019 wurde die linke Regierung durch die konservative Nea Demokratia abgelöst. Bei der diesjährigen Parlamentswahl musste sich Syriza mit 18 Prozent zufriedengeben. Die Konsequenz daraus: Tsipras zog sich zurück. Neuer Vorsitzender des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza) wurde der US-amerikanische Geschäftsmann mit griechischen Wurzeln, Stefanos Kasselakis. Nach seiner Wahl setzte eine „Massenflucht“ (nd, 27.11.23) aus der Partei ein: Darunter die ehemaligen Minister Efklidis Tsakalotos (Finanzminister) und Efi Achtsioglu (Arbeitsministerin). Außerdem elf Parlamentsabgeordnete, 46 Mitglieder des ZK, Dutzende führende Parteifunktionäre, 90 Mitglieder des Menschenrechtsausschusses und zwei Drittel der Jugendorganisation. Wie sich die Ausgetretenen politisch neu sortieren werden, lässt sich noch nicht absehen. Das kann dauern. Wie sieht die Situation in der französischen Linken aus? Als sich vor eineinhalb Jahren das Linksbündnis NUPES (Neue ökologische und soziale Volksunion) unter Führung von Jean-Luc Melenchon gegründet hatte, erzeugte dieses Bündnis verschiedener Linksparteien nicht unberechtigte Hoffnungen auf die Entwicklung einer starken linken Formation. Allerdings konnten Konflikte nicht ausbleiben. Die in der NUPES vertretenen Parteien bilden ein breites politisches Spektrum ab. Vielleicht zu breit, um erkennbar zu bleiben. So titelte die junge Welt am 10. Oktober: „Das Ende der NUPES“ Frankreichs Linksbündnis stehe „vor dem Aus“. Melenchon habe sich nicht genügend von der Hamas distanziert. Nicht nur die Sozialdemokraten und die Grünen, auch die Kommunisten (PCF) kritisierten Melenchon, den Vorsitzenden des LFI (La France Insumise). Das Zerwürfnis scheint so tiefgehend zu sein, dass lt. Heinz Bierbaum NUPES bei der Wahl zum Europäischen Parlament nicht mehr antreten wird. In Spanien gibt es, was die Linke betrifft, seit Jahren eine schwierige Gemengelage. Wegen vorgezogener Neuwahlen gelang es dem linken Parteienbündnis SUMAR nicht mehr, die inhaltlichen Differenzen vorab zu klären. Zwar ist SUMAR Teil der sozialdemokratischen Regierung unter Pedro Sanchez, aber es brodelt bereits jetzt. Darauf einzugehen würde hier zu weit führen. Immerhin hat Spanien wieder und gerade noch eine Mitte-Links Regierung. Aber die Rechten, darunter auch die Faschistenpartei VOX werden stärker. Wie schnell das gehen kann, zeigte sich soeben in den Niederlanden, wo die ultrarechte Ein-Personen-Partei Partij voor de Vrijeid (Partei für die Freiheit,PVV) ihr Ergebnis im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2021 mehr als verdoppeln konnte und erstmals zur stärksten politischen Kraft wurde. Parallel zum Aufstieg der Rechten erfolgte ein Abstieg der Linken. Die Sozialistische Partei (SP) halbierte ihre Stimmenzahl gegenüber der Wahl von 2021 und setzte so die Abwärtsentwicklung seit der Wahl von 2010 fort. Europa rückt nach rechts und wenig deutet auf eine Kehrtwende in den nächsten Jahren hin. Die bürgerlichen Parteien der sog. Mitte sind außerstande, für die vorhandenen Probleme tragfähige Lösungen anzubieten. Sie sind Gefangene ihrer neoliberalen Ideologie. Die rechten Parteien müssen nur abwarten, bis ihnen der Ball zugespielt wird. In Deutschland ist die ultrarechte AfD bei Umfragen auf über 20 Prozent angelangt und somit zweitstärkste Partei, während die Regierungsparteien deutlich schwächer abschneiden. Und die von der CDU/CSU beschworene Brandmauer gegen die AfD? Kaum jemand glaubt, dass die lange Bestand haben wird.

 

Wie damit umgehen?

Die Partei DIE LINKE bemüht sich zwar wacker um Stabilisierung der vorhandenen Strukturen, wird aber möglicherweise 2025 den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen. Bliebe nur noch das Bündnis Sahra Wagenknecht , dem schon vor der Gründung der Partei im Januar beachtliche Umfragewerte zugesprochen werden. Was wissen wir bisher über die Vorhaben derer, die sich als „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit (BSW)“ in einem Verein zusammengetan haben? Sicher ist die Teilnahme bei der Europawahl im Juni. Ob daneben auch schon eine Beteiligung bei den drei Landtagswahlen im September in den Bundesländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg realistisch ist, lassen Wagenknechts Mitstreiterinnen offen. Sie können es sich aber vorstellen. Bei der Aufnahme von Mitgliedern will man vorsichtig sein, da vermutlich politische Glücksritter in den Startlöchern stehen. Wen will die Gruppe ansprechen? Im fünfseitigen Manifest heißt es, viele Menschen hätten „das Vertrauen in den Staat verloren“ und fühlten sich „durch keine der vorhandenen Parteien mehr vertreten“. Die neue Partei solle „diesen Menschen wieder eine Stimme“ geben. Lt.Umfragen könnte diese Partei den Höhenflug der AfD stoppen. Aus dem Manifest ergibt sich, dass nicht die Absicht besteht, eine linke Klassenpartei zu gründen. Es geht eher um ein an die frühere Sozialdemokratie erinnerndes breites Mitte-Unten- Bündnis. Deshalb schließt das Manifest nicht überraschend: „Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der das Gemeinwohl höher steht als egoistische Interessen und in der nicht Trickser und Spieler gewinnen, sondern diejenigen, die sich anstrengen und gute, ehrliche und solide Arbeit leisten.“ Na ja, politische Lyrik, die wenig aussagt. Reißt nicht gerade vom Hocker. Ziel ist auch, eine repräsentative Leerstelle zu füllen, also eine klare Fixierung auf den Parlamentarismus. Davon kann man halten, was man will. Andererseits: Sollte die Wagenknecht Partei bei der Europawahl im Juni ein beachtliches Ergebnis einfahren, könnte das Mut machen in Zeiten der Mutlosigkeit.

 

Schlechte Zeiten für hohe Ziele

Tatsache ist: Wir leben hierzulande (noch) in bewegungsarmen Zeiten. Der Organisationsgrad und das Klassenbewusstsein der Gewerkschaften ist längst nicht so, wie es wünschenswert wäre. Und das in einer Situation, in der die Krisen sich verschärfen und lt. Statistischem Bundesamt 20,9 Prozent der Bevölkerung von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Vor 40 Jahren waren gegen die Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles Hunderttausende auf den Straßen. Ein nicht unbeachtlicher Teil dieser Friedensbewegten wechselten mit den Grünen die Seite oder resignierten. Deshalb wäre zumindest eine Partei, die in der Friedens- und Rüstungsfrage klare Kante zeigt und die Interessen der abhängig Beschäftigten und der Abgehängten im Parlament stärker vertritt, ein Schritt vorwärts. Manche werden dagegen einwenden, dass das alles nicht reicht und doch nur Illusionen verbreitet werden. Aber was wäre zeitnah die Lösung? Der von SW und anderen gestartete Versuch, die Repräsentationslücke zu füllen, kann misslingen oder im Parlamentsalltag versumpfen. Das ist nicht auszuschließen. Da aber hierzulande eine marxistische Klassenpartei mit Breitenwirkung, so notwendig sie wäre, nicht in Sicht ist, kann die BSW Partei vorerst eine Lücke füllen. Diese Einschätzung mag auf Widerspruch stoßen. Das soll sie auch.

 

* Mehr zur belgischen Partei der Arbeit in der Arbeiterstimme Nr.220 S.10 ff: Die Linke kann erfolgreich sein

 

Hd  Stand: 3.12.23