Eigentlich ist das hier besprochene und empfohlene Buch “Feuerdörfer – Wehrmachtsverbrechen in Belarus – Zeitzeugen berichten“ der Autor*innen Ales Adamowitsch, Janka Bryl und Uladasimir Kalesnik ein altes. Schon 1975 war es in Belarus erschienen, aber da konnten es die meisten aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht lesen. Danach wurde es in der DDR verlegt, aber aus politischen Gründen (und weil wohl noch viele Täter lebten?) durften wir es nicht lesen. Jetzt ist es im Aufbau-Verlag, Berlin herausgekommen, hat jüngst für die Übersetzung den deutschen Buchpreis bekommen. Jetzt können und dürfen wir die 357 Seiten lesen. Und wir sollten sie lesen!
Nicht nur, weil sich der Untergang der nationalsozialistischen, rassistischen, mörderischen Diktatur zum 80sten Mal jährt und die Nazis „nicht vom Himmel gefallen“ sind. Viele haben bei ihren Verbrechen mitgeholfen und sind oft später nicht zur Verantwortung gezogen worden. Von diesen brutalen Verbrechen, fußend auf einer rassistischen Vernichtungsideologie, berichten für den Raum Belarus Zeitzeugen in diesem Buch. Das massenhafte Morden und Verbrennen der einheimischen Bevölkerung, die systematische Entvölkerung des „Lebensraums im Osten“ wurde mit dem „Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion“ begonnen. Bereits Anfang 1941 forderte Heinrich Himmler, die slawische Bevölkerung um 30 Millionen zu vermindern. Für den Vernichtungskrieg wurden Recht und Gesetz außer Kraft gesetzt. „Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.“, heißt es in Adolf Hitlers Kriegsgerichtsbarkeitserlass vom 13.05.1941.
Für das Buch reisten Autorin und Autoren durch versengte Landschaften in der belarussischen Provinz, zeichneten in 147 Dörfern Gespräche mit Überlebenden der verbrannten Dörfer auf, führten und transkribierten über 300 Gespräche.
Zwischen 1941 und 1944 fielen in Belarus über zwei Millionen Menschen den deutschen Mordkommandos zum Opfer, mehr als 9.100 Dörfer wurden zerstört.
„In jedem Hof hatten sie drei Mann abgestellt, die alle gleichzeitig die Menschen umbringen sollten. (…) Und dann kommen sie ins Haus und bringen die Kinder um, die alten Weiblein...Mir haben sie die Mutter getötet. (...) Die Patronen lagen da und alles… Alles lag da. Ich kam später und konnte nur noch meine Leichen begraben. (…) Nur die nicht verbrannt waren. (…) 180 Menschen haben sie umgebracht.“ (Auszüge aus dem Interview mit Iwan Wikenzjewitsch aus Hardoka). Dieses Interview verdeutlicht Dreierlei: Erstens: Das Buch ist nichts für schwache Nerven, vor allem nicht die Interviews! Zweitens:Die Augenzeugen reden einfach, sind „einfache“ Menschen, sind keine Intellektuellen. Drittens: Faschisten und Rassisten reden nicht einfach so nur daher, sondern setzen das Gesagte auch um! Das sollte auch nicht vergessen werden!
Das im Buch aufgelistete Grauen wurde nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern viele deutsche Täter und ihre Helfer übten bewusst und überzeugt die schlimmsten Grausamkeiten und Morde aus. Auch dies sollte heute noch zu denken geben!
Das Buch möge, wie im Nachwort geschrieben, als Pionierwerk des dokumentarischen, vielstimmigen Erzählens seinen festen Platz in der deutschen und internationalen Erinnerungskultur bekommen.
Frank Rehberg
Feuerdörfer. Wehrmachtsverbrechen in Belarus – Zeitzeugen berichten
von Ales Adamowitsch, Janka Bryl und Uladsimir Kalesnik
Aufbau Verlag 2024